Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrer Werner Ambacher

Lasset die Kinder zu mir kommen

Lasst die Kinder zu mir kommen, und weist sie nicht zurück…“ Ist es nicht ein wenig spät dafür, dass solche Worte der Bibel, solche Worte Jesu, Sie ansprechen?

„Lasst die Kinder zu mir kommen, und weist sie nicht zurück…“ Ist es nicht ein wenig spät dafür, dass solche Worte der Bibel, solche Worte Jesu, Sie ansprechen? Kinder sind Sie längst keine mehr, und ich denke bei Sprüchen wie: „Im Alter wird man wieder kindisch“ könnten die einen oder anderen traurig oder verärgert werden, denn kindisch will ich nicht sein, und ich will auch nicht ständig daran erinnert werden, dass ich zunehmend Hilfe brauche, anders werde, als es von Erwachsenen erwartet wird.

Dazu aufrufen und ermahnen, auch Kinder im Gottesdienst zu dulden und auszuhalten, scheint hier im Altenheim auch eher fehl am Platz. Wann sind denn schon Kinder bei uns, wann fängt schon ein Baby an zu brüllen, kichern oder tuscheln Konfirmanden, so dass so manche Lust hätten zu ihnen zu sagen: Geht doch nach Hause, wenn euch der Gottesdienst nicht interessiert. Wir wollen vom Gottesdienst etwas haben!
Dabei waren es damals sicher nicht nur Schulkinder und Jugendliche, die zu Jesus wollten – mit all ihren Fragen über Gott und die Welt, mit ihrem Hinterfragen von Ordnungen, Ausprobieren, wie weit sie gehen dürfen, mit einer Direktheit, die uns Erwachsene manchmal beschämt, hilflos, sprachlos macht, mit allem, was ich immer wieder auch nicht brauchen kann.

Nein, da muss ich mir schon Kleinkinder und Babys vorstellen, die im Tragetuch, auf dem Arm der Eltern zu Jesus gebracht werden. Die sollen jetzt nichts groß von der Predigt, den Gebeten, den Liedern verstehen können; die sollen schon gar keinen Konfirmandenunterricht bekommen. Jesus soll nichts anderes, als so einem kleinen Würmchen zeigen, dass Gott es lieb hat, dass sein Schutz schon über diesem kleinen Leben steht, dass er ihr Anwalt sein will, wenn jemand es wagen sollte ihm Böses anzutun. Ja, sie brachten Kinder, von denen einige still und lieb waren, die ganze Begegnung mit Jesus verschliefen, wieder andere, die gebrüllt haben wie am Spieß, so dass es anderen Erwachsenen zu viel wurde: Was soll denn das! Da kann doch niemand zuhören, was Jesus Wichtiges zu sagen hat! Für Jesus gab es da nichts zu diskutieren. Anwalt war er für diese Kinder! Ja, er wird regelrecht sauer, wenn Menschen meinen, ihre Frömmigkeit, ihre Intelligenz sei das Maß aller Dinge. Er hat den Kindern den Schutz, den Segen und die Liebe Gottes gezeigt, wie man es mit Kindern eben macht: Er hat sie auf den Arm genommen, sie an sich gedrückt, sie berührt.

Ja, Gottes Liebe, seine Zuwendung, sein Schutz, seine Zusage: Ich bin für dich da; gilt eben nicht nur denen, die gespannt im Gottesdienst zuhören können, so dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Oder denen, die möglichst viele Bibelverse oder Kirchenlieder auswendig kennen. Er ist auch für die da, die Schwierigkeiten haben, wach zu bleiben, die vieles gleich wieder vergessen, die kaum wissen, wo sie sind, die deswegen immer wieder auch Angst bekommen und Hilfe schreien. Er ist auch der Gott derer, die im Gottesdienst Selbstgespräche führen, schreien, die mittendrin aufstehen oder einfach wieder raus wollen, und manchmal nicht einmal wissen, warum – auch wenn das keine kleinen Kinder sind, sondern Erwachsene, auch wenn der Gottesdienst nicht in der Christuskirche drüben sondern hier im Pflegeheim ist.

Es ist vielleicht gut gemeint, wenn manche Christen meinen, man müsse vom Glauben möglichst viel verstehen, um dazuzugehören, ja, um getauft werden zu können. Aber was ist dann mit Menschen, die das von Anfang an nie konnten, weil sie eine schwere geistige Behinderung haben? Für meinen Ausbildungs-pfarrer gab es da gar nichts zu diskutieren: Ein Bub, dem es so ging, wurde getauft, wurde konfirmiert – nicht nur trotzdem, sondern ganz selbstverständlich. Und deswegen gehört hier im Gottesdienst wie bei Besuchen nicht nur das Singen, das Beten, die Predigt oder das Gespräch mit dazu, ebenso wie dass diejenigen da bleiben dürfen, die unruhig sind, sondern ebenso, dass ich die Hand gebe, halte, streichle, wenn ich das Gefühl habe, das braucht jemand jetzt mal nötiger als einen Bibelvers oder ein Gebet, auch wenn die gut gemeint sind. Amen.                                                                                  

Ein Übertragungsversuch des Kinderevangeliums in Situationen im Pflegeheim, wo deutlich werden kann, dass alle willkommen sind, ohne intellektuelle Voraussetzungen, dass auch andere zum Gottesdienst gehören, die, ähnlich wie die Kinder damals, von manchen als Zumutung empfunden werden.

Als Tauferinnerung kann dieser Gottesdienst gestaltet werden, indem nach der Predigt oder nach dem Segen aus einer Schale mit Wasser, die auf dem Altar steht, ein Kreuzzeichen auf die entgegengestreckte Hand des Bewohners, der Bewohnerin gezeichnet, dies vorher mit einfachen Worten erklärt wird.