SeelsorgeDas seelsorgerliche Gespräch

"Verstehen Sie mich?" fragen Menschen oftmals, wenn sie einem Seelsorgenden in einem seelsorglichen Gespräch etwas von sich erzählen. Sie wollen sich damit versichern, ob die Seelsorgenden nachfühlen können, wie sie sich in dem Erzählten fühlen, dass sie Angst hatten, wütend waren, sich schuldig fühlten, hilflos waren…

Jeder Mensch kennt diese Sehnsucht, dass man verstanden wird und jemand mitfühlt. Und doch ist es ganz oft so, dass wir den Menschen, die etwas von sich erzählen, genau dieses Mitgefühl nicht geben. Da erzählt der Mann, dass er Angst um seine Kinder hat und deshalb immer genau wissen muss, wo diese sind. Uns kommt sofort die Belehrung in den Sinn: "Aber Sie müssen Ihren Kindern doch auch ihre Freiheit lassen!"

Die Frau vertraut uns an, wie wütend sie auf Gott ist, weil er zulässt, dass sie Krebs bekommen hat. Uns kann es da passieren, dass wir das verharmlosen, ihr beinahe widersprechen und sagen: "Sie werden sehen, wenn es Ihnen besser geht, werden Sie wieder anders über Gott denken." Ein Ehepaar klagt, dass sie die schwer pflegebedürftig Mutter des Mannes nun in ein Pflegeheim geben mussten. Und sie fühlen sich schuldig. Schnell sind wir dabei, das ganz vernünftig zu betrachten:

"Da müssen Sie sich nicht schuldig fühlen! Sie müssen doch auch für sich sorgen. Die Pflege würde Sie aufreiben." Belehren, verharmlosen, widersprechen, ganz vernünftig betrachten und auch verallgemeinern, ermahnen, ausweichen - das machen wir oft in Gesprächen: "Das geht doch jedem mal so!", "Da müssen Sie sich zusammenreißen!", "Das ist schlimm, was Sie da von Ihrem Sohn erzählen. Wie geht es denn Ihrer Tochter?" Solche Sätze meinen wir nicht böse. Sie sind nur für die Menschen, die in der Seelsorge etwas von sich erzählen, schrecklich enttäuschend oder sogar verletzend. Sie denken dann von dem/der Seelsorger/in: "Die versteht mich nicht!"

Es gibt Menschen, die können zuhören

Es gibt die Menschen, denen erzählen wir etwas von uns und die können so zuhören, dass wir uns verstanden fühlen. Diese Menschen können sich in uns einfühlen und wertschätzen, was und wie wir erzählen. Seelsorger und Seelsorgerinnen sollten genau das können. Manche Menschen sind vielleicht 'naturbegabt', andere haben das in ihrem Leben erlernt. Und für alle gibt es immer wieder Themen und Situationen, in denen wir es nicht schaffen, uns einzufühlen.

Wir rutschen dann in etwas anderes hinein. Wenn der Mann im Pflegeheim über seine undankbaren Kinder schimpft, die ihn abgeschoben haben, wird es vielleicht für die Seelsorgenden schwierig, die wissen, dass auch sie sich selbst nicht um ihre Eltern kümmern können. Diese Seelsorgenden verstehen die Kinder sehr gut und sie sind vielleicht schnell dabei bei dem Mann um Verständnis für dessen Kinder zu werben. Dieser Mann fühlt sich dann von niemandem verstanden.

Seelsorgliche Gesprächsführung kann man lernen

Jedem und jeder kommen Situationen in den Sinn, wo das mit dem Verstehen und dem Einfühlen gar nicht so einfach war. Aber seelsorgerliche Gesprächsführung kann man lernen. Es gibt viele Angebote für Menschen in der Seelsorge, in denen man lernt, ein Gespräch so zu führen, so dass der Mensch, der einem Seelsorger etwas von sich erzählt, sich verstanden fühlt. Und dazu gehört natürlich, wie man überhaupt ein seelsorgliches Gespräch anfängt, wie man den Glauben ins Gespräch bringt, wie man Pausen aushält, wie man ein Gespräch mit Menschen führt, die dement sind oder die nicht mehr sprechen können, wie man ein Gespräch gut beendet, wie man mit Hilflosigkeit umgeht. Das ist alles auch wichtiges Handwerkszeug für ein seelsorgerliches Gespräch. Und wenn Seelsorgende all diese Techniken perfekt beherrschen, bleibt doch entscheidend, ob sich ein Mensch verstanden fühlt in einem Seelsorgegespräch.

Denn wenn Menschen sich von Seelsorgenden verstanden fühlen, dann kann ihnen etwas von Gottes Verständnis für einen Menschen nahe kommen: Gott versteht mich von ferne (Psalm 139,2).

Text:
Jochen Schlenker, Studienleiter für Ehrenamtliche Seelsorge – KESS