Seelsorge und PflegeEthische Fallbesprechungen im Altenpflegeheim

Immer wieder kommt es in Alltagssituationen zu ethischen Fragestellungen, auf die es keine eindeutigen Antworten gibt, was das Beste für den betroffenen Menschen ist. Wie etwa reagieren Pflegekräfte und Angehörige, wenn ein Bewohner/eine Bewohnerin Essen und Trinken sowie Medikamente ablehnen?

Wie soll man damit umgehen, wenn ein dementiell erkrankter Mensch unruhig ist und die Wohnung oder die Einrichtung verlassen will? Wie soll man damit umgehen, wenn der Wille einer Person, die sich nicht mehr eindeutig äußern kann, auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert wird? Hinzu kommen medizinische Fragen, dass das medizinisch Mögliche nicht immer dem Wohl des betreffenden Menschen dient. Wann etwa ist eine künstliche Ernährung (PEG-Sonde) die beste Lösung und wann nicht?

Die ethische Fallbesprechung will dazu verhelfen, eine solche Dilemma-Situation zu bearbeiten. Sie ist eine methodische Hilfestellung, die dazu beiträgt, mit schwierigen Fragen achtsam umzugehen unter dem Aspekt, was der Wille des betroffenen Menschen wäre und ihm am Besten dienen würde.

Durchführung einer ethischen Fallbesprechung

Altenpflegeheime, die ethische Fallbesprechungen einführen, qualifizieren dafür Moderatoren/-innen und legen die Vorgehensschritte fest. Der Moderator- die Moderatorin moderiert die jeweilige ethische Fallbesprechung in einfachen, klaren und nachvollziehbaren Schritten.

Das heißt: In einer akuten Entscheidungssituation wird dann eine etwa einstündige Fallbesprechung anberaumt und durchgeführt, an der in der Regel alle Mitarbeitenden (interdisziplinäres Team) teilnehmen, die mit dem betreffenden Menschen zu tun haben (eventuell zusätzliche Personen wie Arzt/Ärztin und Angehörige).

Besonders in Konfliktsituationen ist es gut, gemeinsam um eine tragfähige Lösung zu ringen. Dabei gilt es vorrangig nach den individuellen Prägungen des betroffenen Menschen zu fragen und diese zu würdigen. Dazu gehören altersspezifische, psychische, spirituelle, kulturelle und soziale Aspekte.

In der ethischen Fallbesprechung erfahren alle Beteiligten voneinander die jeweiligen Sichtweisen und Werte. Die Sprachfähigkeit in ethischen Fragen wird gefördert und die Sensibilität für ethische Fragen wird gesteigert. Verschiedene Sichtweisen erweitern den eigenen Blick und fordern heraus.

Welches Bild vom Menschen haben wir? Welches Bild von einer guten Gesellschaft, in der alte Menschen würdig leben können? Und wie verbindet sich das mit unserem christlichen Glauben?

Ziel der ethischen Fallbesprechung ist es, Handlungsmöglichkeiten für die jeweiligen betroffenen Menschen auszuloten.

Die Erfahrungen zeigen, dass ethische Fallbesprechungen dem Wohl der betreuten und der betreuenden Menschen dienen. Selbst wenn es offensichtlich keine Lösung gibt, kann eine ethische Fallbesprechung Entlastung bringen, weil die schwierige Situation gemeinsam besprochen und reflektiert wurde.

Wiederkehrende Themen in ethischen Fallbesprechungen

Häufig wiederkehrende Themen sind die Bewertung der Selbstbestimmung versus Fürsorge etwa bei der Verweigerung von einer Behandlung oder von Nahrung. Oder wie kann verantwortlich mit freiheitseinschränkenden Maßnahmen umgegangen werden? Umgang mit Gewalt? Umgang mit Entscheidungen am Lebensende sowie die Begleitung von Bewohnern/-innen mit Demenz.

Weitere Informationen

 

Literatur:
Riedel, Annette / Lehmeyer Sonja (Hg.): Einführung von ethischen Fallbesprechungen, 4. Auflage 2016
Coors, Michael u.a.: Ethikberatung in Pflege und ambulanter Versorgung, 2015
Arbeitsgruppe Pflege und Ethik, Für alle Fälle, Arbeit mit Fallgeschichten, 2005
Lydia Rufer/Ruth Baumann-Hölzle: Mantelbüchlein Medizin und Ethik III, 2015

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