Das AlterArmut im Alter

Wir wollen es positiv sehen: Aktuell sind 80,5 Prozent der über 65-jährigen nicht von Altersarmut betroffen, 78 Prozent werden nie von Armut bedroht sein. Aber leider bedeutet das auch, dass 19,5 Prozent der über 65-jährigen armutsgefährdet sind, dass 13,1 Prozent immer wieder oder gar dauerhaft arm sind.

Die Armutsgefährdung der Älteren wächst schneller als die aller anderen Altersgruppen. In Baden-Württemberg liegt sie bereits seit einigen Jahren über der Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung. Zusätzlich alarmierend ist, dass die ausgrenzende Wirkung der materiellen Armut im Alter dadurch verstärkt wirkt, dass diese Lebensphase ohnehin mit körperlichen, gesundheitlichen und sozialen Einschränkungen einhergeht und soziale Teilhabe immer schwerer wird.

Außerdem bilden die älteren Menschen einen zunehmend größer werdenden Teil unserer Gesellschaft. Da zukünftig immer weniger Erwerbstätige immer mehr Renten Beziehende finanzieren müssen, wurde seit der Jahrtausendwende das Rentenrecht geändert. Die Rentenreformen ab 2001 haben bewirkt, dass die gesetzlichen Renten tendenziell fallen. Dieser Prozess geht im Augenblick noch weiter. Sowohl das bestehende Rentenrecht als auch die aktuellen Reformen begünstigen diejenigen, die 45 Jahre lang durchschnittlich bis gut verdient haben. Diejenigen, die unterdurchschnittlich verdient haben, die lange in Teilzeit gearbeitet haben, die durch Familienphasen, Krankheit und Arbeitslosigkeit unstete Berufsbiografien vorzuweisen haben, können kein auskömmliches Rentenniveau mehr erreichen.

Arme Menschen werden bestraft

Für viele Menschen ist die Armut im Alter die Fortsetzung einer Armutsbiographie. Die Armutsrisiken der früheren Lebensphasen schränken die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen ein. Derzeit werden die Menschen mit Altersarmut bestraft, die in der Zeit ihres Lebens sowieso schon schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten.

Nachdenklich stimmt, dass Altersarmut beinahe nicht mehr rückgängig zu machen ist. Wer in Zukunft Altersarmut vermeiden will, muss mit einer abgewogenen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik dafür sorgen, dass die Menschen auch die Gelegenheit haben, sich aus ihrem Erwerbsleben heraus eine gute Alterssicherung aufzubauen.

Die Erwerbseinkommen und die aus ihnen heraus erbrachten Vorsorgeleistungen sind die Grundlage für fast jede Alterssicherung. Zur Jahrtausendwende hat die Politik entschieden die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung einzuschränken, um die Beiträge stabil zu halten. Dafür wurde die Altersvorsorge zum Teil privatisiert und der Selbstverantwortung des Einzelnen übertragen. Diese individuelle Vorsorge wird von Unternehmen angeboten, die auf dem internationalen Finanzmarkt tätig sind. Die private Altersvorsorge hat sich inzwischen als Irrweg herausgestellt. Sie schließt gerade die Geringverdienenden aus, die sich solch eine Absicherung nicht leisten können. Sie birgt finanzielle Risiken bis hin zu einer negativen Rendite.

Von anderen lernen

Von unseren Nachbarn Österreich und Schweiz lernen wir,

  • dass die Alterssicherung für alle Menschen nur dann eine wirkliche Sicherung ist, wenn sie im Rahmen des Umlageverfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt.
  • dass es möglich ist, alle Erwerbstätigen, - abhängig Beschäftigte und Selbständige, Angestellte und Beamte -, in das Umlageverfahren der gesetzlichen Altersversorgung einzubeziehen und dadurch die Beitragshöhe für alle auf einem akzeptablen Niveau zu halten.
  • dass es möglich ist, eine Mindestrente und auch eine Höchstrente einzuführen und so die soziale Sicherung als ein echtes Solidarsystem zu organisieren.
  • dass es möglich ist, Bezieherinnen (es sind tatsächlich vor allem Frauen) von niedrigen Renten  durch (gestaffelte) Aufstockungszahlungen aus dem Staatshaushalt zusätzlich zu unterstützen, damit Altersarmut vermieden wird.

Wir wollen es positiv sehen: Niemand muss im Alter in Armut leben, bei uns sowieso nicht. Wir leben in einem der reichsten Land der Welt und hätten die Möglichkeiten unseren Wohlstand so zu verteilen, dass gerade alte Menschen ausreichend und armutssicher versorgt werden.

Text:
Klaus Kittler Referent Armut / Arbeitslosenhilfe - Abteilung Landkreis- und Kirchenbezirksdiakonie, Existenzsicherung