Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrerin Cornelia Reusch

Wenn du Gott suchst, schau auf die Menschen

Wenn uns jemand lobt, dann tut uns das gut. Es ist, als würden wir ein klein wenig wachsen. Wir fühlen uns gestärkt und aufgerichtet. Solch ein Lob kann Wunder wirken.

Liebe Gemeinde,

wenn uns jemand lobt, dann tut uns das gut. Es ist, als würden wir ein klein wenig wachsen. Wir fühlen uns gestärkt und aufgerichtet.
 Solch ein Lob kann Wunder wirken.

Da scheint die Sonne heller als eben noch, alles um uns herum ist uns plötzlich freundlich zugetan und wir selbst können alles um uns herum mit anderen Augen sehen.
Solch ein Lob, solche Anerkennung tut einfach gut. Da spielt es keine Rolle, ob wir schon alt sind oder mitten im Leben stehen.
Wer Kinder erzieht, unterrichtet, der weiß, wie wichtig es ist, zu loben. Nun - das war nicht immer so. Lange meinte man, Kinder bräuchten eher Strafen und eine harte Hand als freundliche Worte und Liebe.
Manche unter uns tragen bis ins hohe Alter an den Spätfolgen einer harten lieblosen Kindheit. Mancher kann die Schläge eines strengen Vaters oder Lehrers ein Leben lang spüren.

Wie anders aber ist das, was die Liebe vermag:
Lob und Anerkennung können Kinder (und nicht nur sie) anspornen und motivieren.
In dem Film „Die Kinder des Monsieur Matthieu“ wird eindrücklich erzählt, wie der neue Lehrer – eben Monsieur Matthieu - in ein Internat mit Waisen kommt. Er soll eine Klasse schwieriger, verhaltensauffälliger Jungen unterrichten.

Nach und nach gewinnt und motiviert er die Jungen, in einem neu gegründeten Chor ihre Stimmen zu finden. Ein Auftritt vor einem kritischen Publikum wird zum Höhepunkt.
Rückschläge, Krisen bleiben nicht aus, am Ende muss der Lehrer gehen…
Man könnte sagen, er sei gescheitert mit seiner Art, die Kinder zu sehen, ihren Hunger  nach Lob und Liebe… Behutsam und unter großem Einsatz hatte er den Kindern gezeigt, dass sie es wert sind, gelobt, gefördert zu werden…

Und so bleiben am Ende die Bilder der Hoffnung und die Bestätigung, wie wertvoll es ist, Menschen zu loben.
Nun haben wir heute einen Predigttext, der so ganz anders tönt.
 
Harte, kritische, scharfe Worte. „Erhebe deine Stimme wie eine Posaune!“ Laut tönen sie, unüberhörbar laut. Sie sollen gehört werden, sollen treffen.
Fast möchte ich den Kopf einziehen, mich kleiner machen, mich schützen, um diesen harten Worten zu entgehen.

Nein, ich mag Kritik nicht. Ich habe Mühe damit, wenn mir jemand sagt, was ich nicht tun soll, was ich ändern muss, wie falsch ich lebe und handle.
Am liebsten würde ich mich dann verkrümeln, mich davon stehlen, verschwinden, indem ich mich äußerlich entferne – oder – wenn das nicht geht, einfach auf Durchzug schalten.
Es war das Los der Propheten, dass die Menschen sie nicht hören wollten. Denn niemand möchte Kritik hören. Darum also die Empfehlung, die Stimme wie eine Posaune zu erheben.
Denn der Widerstand gegen das, was er zu sagen hat, ist groß. Der Prophet spricht in Gottes Namen, wie es sein Auftrag ist.
Das ist entscheidend. Diese Botschaft will Menschen nicht klein machen, bevormunden, gängeln. Sie steht unter dem Vorzeichen von Gottes Liebe. Eine Kritik, die dem wahren  Leben dient. Konstruktive Kritik, so sagen wir heute.

Doch hören wir, was der Prophet zu sagen hat.
Ums Fasten geht es, um die rechte und falsche Weise des Fastens.
Ums Fasten, wie es Gott gefällt.

Der Prophet, dessen Worte im letzten Teil des Jesajabuchs überliefert sind, kritisiert die hohl gewordene Fastenpraxis seiner Zeit.
Er legt den Finger auf den Widerspruch zwischen liturgisch korrekt eingehaltenen Fastentagen und einem Verhalten im Alltag, das Gottes Gebote missachtet.
Die Oberschicht ist aus der Gefangenschaft in Babylon heimgekehrt. Jetzt soll Jerusalem wieder aufgebaut werden. Wenige geben den Ton an, beaufsichtigen die Arbeit der kleinen Leute.
Fronarbeiter sind sie – ohne Rechte. Das Wenigste zum Leben bleibt ihnen vorenthalten. Und das, obwohl die Väter und Mütter im Glauben am eigenen Leib erlebt haben, was es heißt, Frondienst zu leisten. Damals in Ägypten.

War Gott da ihnen nicht zur Hilfe gekommen und hatte sie herausgeführt aus Sklaverei und Knechtschaft?
Haben sie das alles vergessen? Wie können sie nur so vergesslich sein!
Nicht dass sie nicht auf der Suche waren nach Gott, seiner Nähe.
Sie fasten, halten die vorgeschriebenen Tage des Verzichts ein, aber
 
Gott bleibt stumm und fern, unnahbar.
 „Warum fasten wir, und du siehst es nicht an?“ so fragen und klagen sie vorwurfsvoll. Der Himmel ist wie verschlossen, Gott fern und verdunkelt.
Es gibt diese Erfahrung: Wir leben unseren Glauben, besuchen den Gottesdienst, beten wie gewohnt – und doch ist uns, als wäre alles farblos, erloschen. Gewohnheit einfach, unerfüllt, ohne Feuer und Kraft. Da braucht es eine Posaune, einen Weckruf, die klaren Worte eines Propheten:
Wer seinen Nächsten aus den Augen verliert, verliert Gott aus dem Herzen. Und er zeigt überdeutlich, wo Gott sein Herz hat, mit wessen Augen er sieht, wenn er sein Ohr leiht, wem er das Wort redet:
„Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn…“

Wenn du Gott suchst, dann schau auf die Menschen, auf die ganz konkreten Menschen um dich herum – so der Prophet.
Mit groben Strichen zeichnet der Prophet ein Bild, wo Gott zu finden ist:
Du gehst in Sack und Asche. Und Gott lässt du nackt?
Du fastest. Und Gott verhungert?

Du baust mit anderen an einem Heiligtum. Und Gott liegt auf der Straße?
Dieses Bild ist klar. Wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott, so werden wir nachher singen.
Gott wohnt da, wo Menschen hungern, elend sind, unbekleidet, ohne Unterkunft…
Und plötzlich sind die Worte des Propheten uns ganz nahe gekommen. Hautnah.
Rechtes Fasten öffnet für Gottes Liebe und Barmherzigkeit.
Weil Fasten uns reinigt und verändert.
Wer schon einmal gefastet hat, weiß, wie schwer der Anfang ist. Doch bald schon verliert sich das Hungergefühl und eine Leichtigkeit wird spürbar. Ein Freiwerden von Gewohnheiten und Fesseln.
Wer in dieser Weise fastet, verändert sich.
Bekommt einen neuen Blick auf die Menschen um sich her, sieht ihre Not, ihre Bedürftigkeit.
 
 Fasten in rechter Weise macht uns menschlicher, weicher, barmherziger, weil es uns an Gottes Liebe anschließt.
Dann sehen wir ganz klar, wo Not und Elend wohnen. Auch hier in unserem Haus. In unserer Stadt. Fremde, die zu uns kommen, geflohen sind aus ihrem Land, oft unter grausamen Bedingungen. Im Gemeindehaus der Südkirche hier in Esslingen wohnen seit einigen Wochen zwei Romafamilien. Gemeinden sind da gefragt.
Christenmenschen.

Viele Fremde werden zu uns kommen in den nächsten Wochen und Monaten. Wie werden wir sie aufnehmen? Lassen wir uns betreffen, fragen?
Wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott.
Darüber steht die Verheißung aus Prophetenmund:
„Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen…Wenn du schreist, wird Gott sagen: Siehe, hier bin ich.“ Amen.