Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrerin Heidrun Kopp

Gott nahe zu sein ist mein Glück

Wahrscheinlich haben sie zu Beginn des Jahres verschiedene gute Wünsche gehört und das geht ja bis in diese Tage, wenn man sich erst jetzt im neuen Jahr sieht, dann sind die guten Wünsche für das Jahr immer noch angebracht.

 

 

Vorbemerkungen: Jedes Jahr sucht die ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen einen Bibelvers aus, der uns durchs Jahr begleiten soll, die sogenannte „Jahreslosung“. Dieses Jahr ist der Satz dem Psalm 73 entnommen. Dort heißt es im Vers 28: „ Gott nahe zu sein, ist mein Glück“. Es ist eine Formulierung aus der Einheitsübersetzung. Vielen wird dieser Vers eher mit den Worten der Bibelübersetzung von Martin Luther vertraut sein. Dort klingt es so: “Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte“.

Lied:
Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen EG 574

Wahrscheinlich haben sie zu Beginn des Jahres verschiedene gute Wünsche gehört und das geht ja bis in diese Tage, wenn man sich erst jetzt im neuen Jahr sieht, dann sind die guten Wünsche für das Jahr immer noch angebracht.

Was wurde, was wird Ihnen gewünscht?

Ein gutes neues Jahr, vor allem Gesundheit, vielleicht auch noch ein spezieller Wunsch wenn jemand uns und unsere Lebenssituation besonders gut kennt.

Die Jahreslosung ist auch eine Art von Wunsch, eine Wegbegleitung im neuen Jahr, ein biblisches Wort, das uns in den unterschiedlichsten Situationen unseres Lebens stützen und stärken soll.

Dieses Jahr ist die Jahreslosung ein Satz aus Psalm 73: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“. Worte eines glücklichen Menschen? Ja das klingt so, wenn jemand sagt: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“ Es sind Worte, die am Ende des Psalms 73 stehen. Wenn man den ganzen Psalm liest, dann bekommt man Einblick in das Leben eines Menschen, wie er denkt und fühlt. Wir erfahren, dass dieser  Mensch tiefe Verzweiflung kennt, er mit seinem Schicksal hadert und ihn die Frage umtreibt, wo in all dem Gott ist.

Es ist ein Mensch, ein Mann eine Frau, die - wie viele von uns - schon in Kindertagen von Gott gehört hat. Vertraute Menschen wie Eltern und Großeltern haben von Gott erzählt, von Gott, der uns Menschen liebt, von unserem guten und gerechten Gott, der immer für uns da ist. Das hat ihn berührt und in kindlichem Vertrauen konnte er sagen: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Er hätte gut in das Lied einstimmen können, das wir miteinander gesungen haben: „Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen, wer sich an Gott hält, dem wird nichts fehlen.“

Und im Laufe seines Lebens wurde dieses kindliche Vertrauen erschüttert, wie bei manchen von uns. Wodurch? Er bringt die Rede von der Güte Gottes nicht mit dem zusammen, was er im Alltag beobachtet. Von wegen: wer sich an Gott hält, dem wird nichts fehlen. Wem geht es denn gut in dieser Welt? Doch denen, die besonders rücksichtslos sind, die sich allein um ihr Wohlergehen kümmern, denen es gerade egal ist, was sie in der Welt anrichten, Hauptsache sie sind fein raus, ihnen geht es gut. Sie bedienen sich unlauterer Methoden, lügen, betrügen, ziehen andere über den Tisch. - Und denen geht es gut! Gerechtigkeit, Menschenwürde, keine Spur, kein Thema - und denen geht es gut! Denen geht es gut, die sind glücklich!

Und ich? – Mir geht es nicht gut, ich fühle mich elend. Ich, ein Mensch, der immer bemüht war um ein anständiges Leben. Dieser Mensch geht fast vor die Hunde. „Ich bin täglich geplagt“, formuliert er. Er leidet an seinem Schicksal, was immer es ist, er leidet daran, dass es den anderen, den Kriminellen, wie er sie nennt, gut geht. Wo ist mein Gott, der gute Gott, der für Liebe und Gerechtigkeit steht? Wo ist in meinem Leben zu spüren, dass Gott gut ist? „So sann ich nach, ob ich‘s begreifen könnte, aber es war mir zu schwer.“, so beschreibt er seine Verzweiflung. Ihm bleibt nichts erspart, obwohl er Gott vertraut, obwohl er fromm ist. Ihn beutelt es, ihn trifft das Unglück und er versteht es nicht. Viele von uns kennen diese Erfahrung. Wieso ich? Wieso bin ich krank, wieso hat mich dieses harte Schicksal getroffen und anderen geht es gut. Andere, die ein ganz anderes Leben geführt haben, mit denen scheint es das Leben, Gott gut zu meinen. Die haben Glück! Sie sind glücklich!

Und jetzt? Am Ende des Psalms formuliert genau dieser Mensch: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“ Wie kommt es dazu? Wie kommt es zu der Wende? Im Psalm heißt es: „Ich ging in das Heiligtum Gottes“. Hier kommt es zu einer Begegnung mit Gott, der ihm eine neue Sichtweise auf die Welt ermöglicht.

Was ist das für ein Raum? Was ist passiert? Eine intensive Begegnung mit Gott - Vielleicht war es im Tempel in Jerusalem. Hat er dort gebetet, Gott sein ganzes Leid geklagt? Vielleicht ist ihm Gott in der Feier eines Gottesdienstes begegnet, in den Liedern, in den Worten, in der Gemeinschaft mit anderen. Haben andere mit ihm, für ihn gebetet? Fand er überlieferte Worte des Glaubens, von den Vorfahren, den Müttern und Vätern des Glaubens, die ihn getragen haben? Haben andere seine Not gesehen und ihm ganz tatkräftig, handfest geholfen?

Wie genau es war, wir wissen es nicht. Es bleibt auch offen, ob er sich auf den Weg gemacht hat oder ihm Gott überraschend begegnet ist. Aber es war ein Moment, in dem in ihm etwas passiert ist, sich etwas verändert hat. Einer von den Momenten, wo sich eine andere Sichtweise auf das eigene Leben auftut. Wo sich etwas weitet. Der Beter macht die Erfahrung von Gott an der Hand gehalten zu werden: “Du hältst mich an meiner Rechten“, formuliert er. Mitten in erbärmlichen Verhältnissen findet er eine Heimat bei Gott. Es ist letztlich dieses sinnlich spürbare Nahekommen Gottes, das die aufwühlenden Fragen des Beters zur Ruhe bringt, ja noch viel mehr, es macht ihn glücklich. Gott nahe zu sein, ist mein Glück.

Ein Mensch, der es im Leben schwer hat, leidet, belastet ist, nicht auf der Sonnenseite steht, empfindet Glück, indem er sich bei Gott geborgen fühlt. Und er findet sein Glück in der Erfahrung, dass Gott bis zum heutigen Tage in der Welt wirkt. Sie ist sich nicht selbst überlassen. „Ich will erzählen von all deiner Arbeit“, formuliert er. Gott wirkt in der Welt und zählt dabei auf seine Menschen. Er sammelt ihr Leben, ihre Liebe, ihre Tränen und gibt ihnen Macht von Generation zu Generation. Und Gott schneidet Untaten die Wirkmacht ab.

Es ist eine besondere Erfahrung von Glück. In der Bergpredigt spricht Jesus genau von diesen Glückserfahrungen. Er beginnt seine große Rede mit den Seligpreisungen, mit großartigen: „Selig seid ihr, selig bist du!“ „Selig“ – das griechische Wort, das hier steht wird auch mit „glücklich“ übersetzt und das trifft gut den Wortsinn. „Glücklich alle, die....“

Glücklich alle die, so beginnt Jesus seine Bergpredigt, die große Rede, die seine Botschaft in Worte fasst. Und dann verkündigt Jesus die Seligkeit, gerade Menschen wie dem Beter oder der Beterin von unserem Psalmwort. Er verspricht Glück Menschen, denen das glatte Gegenteil von Glück und Seligkeit widerfahren ist. Und zu allererst preist Jesus diejenigen selig, die geistlich arm sind, also jene, die mutlos und verzweifelt sind. Eine irritierende, fast groteske Botschaft: selig, glücklich die Verzweifelten!? Doch Jesus setzt diese Reihe fort: Auch die Trauernden und Leidtragenden und jene, die wegen ihres Einsatzes für Gerechtigkeit verfolgt werden, preist Jesus selig, glücklich. Verzweiflung und Glück, Trauer und Glück, Verfolgung und Glück – das sind extrem spannungsreiche Paare.

Die Seligpreisungen Jesu setzen eine andere Wirklichkeit in Kraft. Es ist die Wirklichkeit Gottes, die Wirklichkeit des Himmels, jener anderen Sphäre, aus der unser Leben kommt und die unser ganzes Leben mit seinen Höhen und Abgründen umfängt. Mitten in unseren Alltag ergeht in den Seligpreisungen Jesu ein Signal des Himmels, der diese Erde neu macht und verwandelt. Die Seligpreisungen führen die Perspektive Gottes in diese Welt und ihre Wirklichkeit ein. Gott hat eine Vorliebe für die Unglücklichen, für die Schwachen, für die Schwachen, für Versager und Gescheiterte. Gott hat eine Vorliebe für Menschen, die auf die Hilfe von anderen angewiesen sind, für Menschen die noch nie oder jetzt nichts mehr aus sich machen können.

Die Seligpreisungen sind voller Trost und Kraft. Jesus hat nicht nur über Gottes neue Welt und die Seligkeit des Himmels geredet. Jesus stand selbst in seinem Tun für diese neue Welt Gottes ein. Die biblischen Erzählungen machen deutlich: Was Jesus in den Seligpreisungen verkündet hat meint er ernst. Mit der Tat und am Ende sogar mit seinem Leben setzt sich Jesus dafür ein, dass Trauernde und Verzweifelte getröstet und aufgerichtet werden, dass Kranke geheilt und Ausgestoßene aufgenommen werden, dass Verfolgte Schutz finden und Barmherzigen Barmherzigkeit widerfährt. Jesus steht mit der Tat und mit seinem Leben für die Wahrheit der Seligpreisungen ein. Er stellt sich damit gegen all unsere Erfahrungen von Trost- und Mutlosigkeit, gegen alle Verzweiflung und Enttäuschung.

Gott nahe zu sein, ist mein Glück.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem Jahr solche beglückende Erfahrungen in ihrem Leben machen. Ein glückliches Jahr 2014!

Lied:
Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen

Gebet:
Gott, Du Schöpfer und Erhalter der Welt, wir bitten Dich für das neue Jahr, das vor uns liegt und von dem wir noch nicht wissen, was es bringen wird: Begleite Du uns mit Deiner Verlässlichkeit und Treue und lass uns spüren, dass Du jedem und jeder von uns nahe bist. Wenn uns Schweres begegnet, so lass uns spüren, dass Du uns an der Hand hältst. Schenke uns das kindliche Vertrauen, dass Du es gut mit uns meinst und wir mit fröhlichem Herzen bekennen können: Gott nahe zu sein, ist mein Glück. Amen.