Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrerin Claudia Krüger / Pfarrerin Carmen Stamer Leonberg

Ein Brief mit Siegel

Ich gehöre zu Gottes engster Familie – für immer und ewig. Wenn er mich sogar bei meinem Namen ruft, dann kennt er mich ganz persönlich.

Micha 6,8 ff.

Klavier

Votum:
Wir feiern unseren Gottesdienst im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

In dieser Woche begleitet uns der Vers aus dem Buch des Propheten Micha, wo es heißt:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“
Wir singen miteinander Lied 449, 1-3 Die güldne Sonne

Gebet:
Geborgen ist mein Leben in dir, Gott. Du hältst mich in deinen Händen.
(immer kleine Pause lassen)
Manchmal habe ich schreckliche Angst. Ich fühle mich so allein gelassen und ich frage mich:
Wer ist da, der mich tröstet?
Manchmal bin ich traurig. Ich habe mich von so vielem verabschieden müssen, von Angehörigen, von lieben Menschen, meiner Heimat, meiner Wohnung, meinen Freundinnen und Freunden.
Wer ist da, der mich in den Arm nimmt und mich tröstet?
Geborgen ist mein Leben in dir, Gott. Du hältst mich in deinen Händen.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass mich niemand mehr mag.
Wer ist denn da, der mich versteht? Wer ist da, der zu mir hält?
Manchmal weiß ich nichts mehr. Ich weiß nicht mehr, was aus mir werden soll.
Wer ist da, der mir hilft und sagt, wer ich bin? Wer sagt mir ein gutes Wort, das ich verstehen kann?
Geborgen ist mein Leben in dir, Gott. Du hältst mich in deinen Händen.
Manchmal überfällt mich die Angst vor der Zukunft, vor dem Sterben.
Wer ist da, der mich in meiner Angst begleitet?
Gott, du hörst mich, du siehst mich, du bist für mich da. Bei dir bin und bleibe ich unvergessen.
Das will ich glauben und mich daran festhalten. Amen.

Lesung: Hoheslied 8,6+7

Aus dem Hohelied der Liebe lese ich Verse, die sonst oft bei Trauungen zu hören sind und von der Liebe zweier Menschen erzählen. Sie gelten aber gleichermaßen für die unendliche Liebe Gottes zu jedem Menschen. Denn aus der göttlichen Liebe erwächst und nährt sich die Liebe, die wir Menschen zueinander empfinden.

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz,
wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn Liebe ist stark wie der Tod
Und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich.
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn,
sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können.
Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte,
so könnte das alles nicht genügen.

Lied:
EG 1+2+6 „Ich bin getauft auf deinen Namen…“

Predigt:
über Hoheslied 8,6

Unvergessen bei Gott:
 „Ich bin getauft auf deinen Namen…“
– haben wir gerade gesungen, wir haben zwar keine Taufe im Gottesdienst,  aber heute singen wir dieses Tauflied, weil wir uns an etwas ganz Wichtiges erinnern wollen: Wir sind auf Gottes Namen getauft. Das bedeutet, dass wir für immer zu Gott gehören.
Er verspricht mir: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, Du bist mein.“ 
Ich gehöre zu Gottes engster Familie – für immer und ewig. Wenn er mich sogar bei meinem Namen ruft, dann kennt er mich ganz persönlich, wie es in dem schönen Abendlied auch heißt: „…kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb!“
Und wahrscheinlich kennt er mich sogar besser, als andere mich kennen, und sicher auch besser, als ich mich selbst kenne.
Gottes Liebe hält und trägt dich und mich und uns alle, was auch immer passiert. Das ist von Gott sozusagen besiegelt!
 
Dazu passt das schöne Bibelwort aus dem Hohelied der Liebe. Wir haben es vorhin als Schriftlesung gehört. 
 „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod…“

Zur alttestamentlichen Zeit waren sogenannte Stein- oder Rollsiegel üblich. Kleine behauene Steinstücke mit einem Loch in der Mitte, die über feuchten Ton gerollt wurden. Heute sehen sie freilich anders aus!
Nicht selten wurden diese Siegel um den Hals getragen, also ganz nah am Herzen. (zeigen!)

„Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm.“
Das Herz ist ja die Quelle der Gefühle und Gedanken. Und der Arm ist ein Symbol für das Tun. Aus diesem Grund bedeutet ein Siegel auf dem Herzen und auf dem Arm: „Wir sind Gott unendlich nahe, in seinen Gedanken und in allem was er tut!“
Ein Siegel… Früher hat man Briefe versiegelt, um sicherzustellen, dass sie nicht von Unbefugten geöffnet und gelesen wurden. Dazu wurde das Briefblatt zusammengerollt und dann hat man flüssiges Wachs auf die Enden geträufelt und das Siegel hineingedrückt.

…so wie ich es Ihnen jetzt zeige!!

Schriftstücke mit Siegel sind ja ganz wichtige Dokumente, die unbedingte Gültigkeit besitzen.
Ich finde, da wird einem ganz feierlich zumute, und man spürt etwas davon, wie kostbar und wertvoll wir alle für Gott sind.
Nehmen Sie doch bitte einmal das Papierchen mit dem Wachssiegel zur Hand, das Sie vorhin am Eingang bekommen haben. Halten Sie es zwischen Daumen und Zeigefinger und spüren Sie, wie es sich anfühlt.

Fühlen Sie den glatten wächsernen Hintergrund und die raue Oberfläche, wo die kleine Rose in das Wachs eingesiegelt wurde?  
Auch die Rose, sogar diese winzige Rose,  ist ja ein wunderbares Zeichen der Liebe.
 „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod…“
Eigentlich muss es doch heißen: Stärker als der Tod ist die Liebe, jedenfalls Gottes Liebe, wie sie sich im Auferstandenen gezeigt hat!

Ihm liegen wir alle am Herzen, jeden Tag. Die Vergesslichen und die weniger Vergesslichen, alle seine Geschöpfe.
Sogar dann, wenn wir einmal aus diesem Leben in seine himmlische Heimat gehen. Unvergessen, was wir ein Leben lang auch an Gutem erfahren haben

Wie das Siegel auf dem Brief, so liegt Gottes Siegel der Liebe auf unserem Leben. So ist unser ganzes Leben mit allem, was es geprägt und ausgemacht hat, sozusagen versiegelt von der Liebe Gottes.  (hochhalten!)
Fühlen Sie noch einmal: Die Prägungen… die  kann man gut spüren… Die Spuren, die das Siegel im Wachs hinterlassen hat. Manche Stellen sind ganz glatt, andere rau und uneben. 
Das ist wie ein Symbol für unser Leben als Ganzes:
So vieles hat uns geprägt: Unser Elternhaus und unsere Erziehung; die Älteren von uns natürlich der Krieg und die entbehrungsreichen Zeiten; der Beruf…, die Familie…, liebe Nachbarn und treue Freunde, und manche von uns wurden auch durch einen schlimmen Schicksalsschlag geprägt: Ein lieber Mensch stirbt oder eine Krankheit bricht in das Leben ein…

Wenn Sie einen Moment überlegen, was Sie in Ihrem Leben so alles geprägt hat…ja, da kommen viele Erinnerungen: schwere, aber auch unvergleichlich schöne!
Und bestimmt können Sie auch sagen, wo es eher glatte feine Stellen in Ihrem Leben gab und wo eher raue Spuren sind, die sich tief eingeprägt haben.

Vor kurzem haben wir das Erntedankfest gefeiert, das große Fest gegen das Vergessen!
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“
…Und das ist ja unendlich viel! Nicht nur das duftende Brot und der rote Apfel, der Kaffee am Morgen und das Dach über dem Kopf, die Wärme im Haus und ein kuscheliges Bett.  Sondern auch die herbstlich goldene Natur, die herrliche Musik und ein lieber Mensch an meiner Seite. Unvergessen bei den Mitmenschen
 Aber manche und mancher von uns wird sich auch fragen: Was bleibt von mir, wenn ich mehr und mehr vergesse…

…wenn die Welt um mich herum allmählich immer fremder und mitunter auch unheimlicher wird und ich mich manchmal gar nicht mehr auskenne, mich selbst nicht mehr kenne. Angst kommt da immer wieder, Panik vielleicht auch und Scham…den in unserer Gesellschaft ist ja der Druck so hoch, gesund, dynamisch, stark und erfolgreich zu sein.

Das ist so schwer und so anstrengend, das immer zu erfüllen: Im Berufsleben, im Freundeskreis, überall… Besonders dann, wenn man krank ist und irgendwann die Fassade auch nicht mehr aufrechterhalten kann… 

Es ist so wichtig, Krankheiten wie Demenz, aber auch andere psychische wie physische Krankheiten nicht zu tabuisieren. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, nicht ausgrenzen.
 
Bei vielen Menschen steckt da wohl Angst dahinter: Aus lauter Angst selber krank zu werden, setze ich mich lieber gar nicht damit auseinander, sondern verdränge alles. 
Aber wenn es mich dann doch trifft oder einen Menschen, der mir nahe steht, dann brauche ich Unterstützung.

Dann brauche ich Menschen um mich herum, die mir mit Respekt und unendlich viel Liebe begegnen und mich begleiten.
Dann brauche ich Sicherheit in der sich für mich verändernden Welt und Menschen, die zuverlässig und liebevoll bei mir bleiben in dieser, meiner Welt.

Dann brauche ich Menschen, die „mit dem Herzen hören“ und erkennen, was mir jetzt gerade gut tut. Die mutig und ganz präsent sind und mich nehmen, wie ich bin mit humorvoller Toleranz und großer Gelassenheit.

Carmen:
Dann brauche ich Menschen, die auch meine Klage und Trauer ertragen und verstehen, die mich schützen vor Blamage und Bloßstellen, Menschen, die ruhig, ohne Vorwurf mich achtsam begleiten und auf meinen Rhythmus achten, damit ich nicht unnötig in Stress und Angst gerate.
Ich brauche Angehörige, die sich nicht für mich schämen und ich brauche Mitmenschen und Pflegende, die unendlich viel Geduld mit mir haben.
Ich brauche aber auch Menschen, die sich gerne mit mir gemeinsam erinnern: an meine Gewohnheiten, meine Lieblingsmusik, ein tröstendes Gebet oder ein altes Lied, das ich sehr wohl noch kenne!

Ich wünsche mir Menschen, die auch noch wissen und mir sagen, was ich alles in meinem Leben geleistet habe. Die mit mir das Fotoalbum wälzen, mit mir lachen, und behutsam erspüren, was mir sehr wohl noch viel Freude macht! Dann wünsche ich mir alte Freunde oder neue, die so etwas wie eine kleine liebe verschworene Gemeinschaft für mich bilden, in der es mir gut geht!
Ja, die meine Eigenheiten kennen und schätzen und auch mein Schweigen respektieren, die spüren, wenn ich Angst habe und genau wissen, welche Berührung mir gut tut.

Unvergessen in unserer Stadt und unserem Land

Die weniger Vergesslichen haben da permanent zu lernen! 
Deshalb gibt es ja auch die Lokale Allianz für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen in unserer Stadt und unserem Land. Damit man Information und Hilfe bekommen kann und wieder einen guten gemeinsamen Weg findet. Und immer mehr dazu lernt!
Und damit wir Vergesslichen erleben: wir sind nicht allein, sondern gehören zusammen. Wir sind unvergessen und beschützt in unserer Stadt, in unserem Haus. Wir gehören zur Gemeinschaft und wir können sehr wohl auch noch so manches mithelfen, wenn man uns lässt und uns kennt und ein wenig Fantasie entwickelt!

Was bleibt?
Unvergessen sind wir bei Gott, das ist besiegelt.
(Siegel zeigen)
Unvergessen möge sein, was Gott uns an Gutem getan hat.
Unvergessen mögen wir bleiben bei unseren Mitmenschen.
Unvergessen in unserer Stadt und unserem Land, in unserer Kirchengemeinde und in unseren Einrichtungen der Samariterstiftung.

Möge Gott uns mit seinem Geist nahe sein und uns immer neu beflügeln, damit die Vergesslichen und die weniger Vergesslichen, damit alle Menschen voll Dankbarkeit spüren können:
„Ich bin und bleibe unvergessen und unendlich geliebt von Gott und von den Menschen!“
Amen.

Lied:
EG 321, 1-3 „Nun danket alle Gott…“

Fürbitten

Unvergessen mögen sein:
Die demenziell Erkrankten in unserer Mitte, in unseren Familien, im Freundeskreis, in unserer Gemeinde, unseren Häusern und in unserer Stadt.
Schenke uns ein feines Einfühlungsvermögen, damit wir spüren, was sie brauchen.
Lass uns achtsam und liebevoll, mit Gelassenheit und auch mit Humor miteinander zusammen leben.

Unvergessen mögen sein:
Die Familien und Freunde der älteren Menschen und derer, die immer vergesslicher werden.
Schenke Ihnen Herzen voller Geduld, den Mut, sich manch schwieriger Situation zu stellen, ihnen solidarisch und unerschrocken zur Seite zu stehen, miteinander sich an Kostbares zu erinnern, zu lachen und ohne Furcht sich in die fremde Welt mit hinein zu begeben.
Schenke ihnen aber auch die Freiheit und die Verantwortung zu spüren, wo sie selbst auch immer wieder Abstand und Erholung brauchen. Lass sie erkennen, dass sie ganz selbstverständlich auch Entlastung und fachliche Hilfe in Anspruch nehmen dürfen.

Unvergessen mögen sein:
Deine Gaben, barmherziger Gott,
und all das, was Du uns Gutes getan hast.
Unvergessen möge sein:
Deine unverbrüchliche ewige Liebe, die Du für allezeit besiegelt hast. Dafür danken wir Dir von Herzen.
Amen.

Gemeinsam beten wir:
Vater unser im Himmel
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme
dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
Und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Schlusslied:
EG: 331, 1-3 Großer Gott

Bekanntgaben

Segen:
Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.