Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrer Gerd W. Ziegler

Schöner Weinberg

Genießen Sie den Anblick eines schönen Weinbergs? Im Ländle haben Sie dazu manche Gelegenheit. Weit fahren oder gehen müssen Sie nicht, um zum nächsten Weinberg zu gelangen.

Genießen Sie den Anblick eines schönen Weinbergs? Im Ländle haben Sie dazu manche Gelegenheit. Weit fahren oder gehen müssen Sie nicht, um zum nächsten Weinberg zu gelangen. Wann ist ein Weinberg schön? Wenn er gut gepflegt wird, sagen Sie vielleicht. Oder: Es kommt auf die Jahreszeit an. In der Tat: Wer in der Nähe eines Weinbergs wohnt, hat übers Jahr ein faszinierendes Farbenspiel vor Augen. Aus kahlen, braunen Hölzern im Winter sprießen zartgrüne Blätter und Schösslinge im Frühjahr heran. Über den Sommer wachsen die Reben und gedeihen die Trauben in
Grün und Tiefblau. Der ganze Weinberg verwandelt im Herbst sein Kleid in leuchtendes Gelb und Rot. Am schönsten ist er doch, wenn er dazu reiche Frucht trägt.

Stimmen Sie mir zu? Auf den guten Ertrag kommt es wohl an. Wesentlichen Anteil daran hat der Winzer. Seine Arbeit übers Jahr trägt maßgeblich zum Gedeihen der
Früchte bei. Der Prophet Jesaja verbindet mit dem Weinberg noch einen anderen Gedanken. Er verbindet damit die Geschichte einer Beziehung. Er singt ein Lied von seinem Freund und dessen Weinberg. Es ist aber kein lustiges Lied. Der junge Jesaja wendet sich an die ehrwürdige Versammlung der reifen Männer auf dem Marktplatz. Im Zentrum ihres Ortes erregt er deren Aufmerksamkeit. Dazu schlüpft Jesaja in die Rolle eines Schauspielers. Er mimt einen Bänkelsänger, eine Art Lied-Interpreten. So fesselt er all diejenigen, die gerade noch mit Einkaufen beschäftigt waren oder einen kleinen
Schwatz hielten. Da merken einige auf, kommen ins Nachdenken, fragen sich: Hat das etwas mit uns zu tun, wovon der da singt?

Ein Gleichnis singt Jesaja den erstaunten Leuten vor. In Israel wissen alle: Das Bild vom Weinberg ist ein Symbol für die hoch verehrte und heiß begehrte Geliebte, für die Traum-Frau eines Mannes. Klug hat er das angestellt, der Prophet. Er vergleicht die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel mit der Liebesbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Dieses Liebesverhältnis übersetzt er frei in die poetische
Geschichte von seinem Freund und dessen Weinberg. Aber das Ende vom Lied klingt nicht so gut. War nicht alles vergebliche Liebesmüh, was da gelaufen ist? Dabei hat sich der Winzer mit größter Sorgfalt der Pflege des Weinbergs gewidmet. Fein umgegraben hat er doch, von Hand die Steine herausgelesen und körbeweise weggeschleppt. Edle Rebsorten von stattlichem Preis hat er ausgewählt und gesetzt. Die aufkeimenden Schösslinge hat er gegossen und die heranwachsenden Reben regelmäßig geschnitten und vom Ungeziefer befreit. Mit Begeisterung hat er eine Kelter angebaut und freudig einen reichen Erntesegen erwartet.

Aber im Herbst überfällt den Weingärtner jäh die Ernüchterung und es folgt bodenlose Enttäuschung. Schlechte und faulige Früchte bringt der Weinberg hervor statt der erhofften guten. Ja wäre nach all der geleisteten Arbeit nicht sogar ein Spitzenjahrgang zu erwarten gewesen? So aufwändig war doch der Einsatz und so groß die Mühe. Aber: vergebliche Liebesmüh! Gar kein schöner Weinberg! – denkt Jesajas Freund nahe an der Verzweiflung. Kennen Sie das? Da habe ich in einer Sache geackert und gerackert, aber es ist nichts dabei herausgekommen. Das Ende vom Lied ist in solchen Fällen oft
niederschmetternd.

Solche Erfahrungen gehören zu unserem Leben. Am Anfang noch alles gut, am Ende nichts mehr. Wie viele Leute in Ehen und Partnerschaften singen ein Lied der Freude und Lust zu Beginn und von bitterer Enttäuschung am Schluss? Wie viele Eltern widmen sich ernsthaft der Erziehung ihrer Kinder und sehen sich Jahre später schwer enttäuscht? Eine siebzigjährige Frau hat dieses Gefühl rückblickend in die Worte gefasst: Da quält man sich über Jahre, gibt sich alle erdenkliche Mühe, um aus den Kindern was Rechtes werden zu lassen, und dann werden alle Erwartungen enttäuscht. Die guten Früchte
schienen so eindeutig vorprogrammiert. Es konnte eigentlich gar nichts schiefgehen.

Man versteht die Welt nicht mehr. Jesaja weiß, was Gott in die Beziehung zu seinem Volk Israel investiert hat. Mit diesem Volk schließt er einen Bund. Also handelt es sich um eine Liebesbeziehung. Doch
schon zu Beginn dieser Geschichte grassiert die Lüge unter den Menschen. Mord und Totschlag herrscht zwischen ihnen, kaum dass die Nachkommen Adams und Evas die Erde bevölkern. Jesaja hätte bereits damals schon singen können: „Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war aber Rechtsbruch, er wartete auf Gerechtigkeit, siehe, da war aber Geschrei über Schlechtigkeit.“
Wohl wird uns von der Sintflut berichtet, die nur Noahs Arche übersteht. Gott selbst reut diese einmalige Strafaktion. Er sagt: Ich möchte das nie wieder tun, ich schließe einen Bund der Liebe mit allen Menschen meines Volkes. Wenn sie künftig Unrecht tun und meinen Bund brechen, werden sie selber die Folgen zu tragen haben.

Seit dieser Zeit müht sich Gott in stillem Werben um uns Menschen ab. Er rackert und arbeitet daran wie ein Winzer, der im Schweiße seines Angesichts den Weinberg hegt und pflegt. Und in seinem Liebesbund hat er ein Recht verankert, das vielerorts übersehen wird. Es ist das Recht der Armen und Schwachen. Bei Gott haben die Armen und Schwachen ein richtiges Recht, da zu sein und umsorgt zu werden. Dieses
Recht ist Bestandteil der Liebe Gottes. Der Sänger des Psalms beschreibt dieses Recht und zeigt was Gott will. Jener singt vor Freude: Das ist Gott, der Treue hält ewiglich, der Recht schafft denen die Gewalt leiden, der die Hungrigen speiset, der die Gefangenen freimacht, der die aufrichtet, die niedergeschlagen sind, der die Fremdlinge behütet und die Witwen und Waisen erhält.
(nach Psalm 146)

Den reifen Männern auf dem Marktplatz ruft Jesaja ins Gedächtnis: Das Haus Israel ist Gottes Weinberg, und ihr alle, Männer und Frauen samt euren Kindern seid seine Pflanzen. Überlasst euch darum der sorgfältigen Pflege des Weingärtners. Denkt daran, was Gott euch schon Gutes getan hat.in die Worte des Propheten begibt sich Jesus Christus hinein: „Ich bin der Weinstock,
ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ (Joh. 15,5) Es dauert noch eine Weile. Dann knospen die Keime und bringen ihr frisches Grün hervor. Sie verheißen gute, wohlschmeckende Trauben. Bei der Herbstlese wird der Winzer die Früchte ernten - in seinem schönen Weinberg. Amen. Entwurf zum Verlauf des Gottesdienstes:

  • Musik
  • Votum und Begrüßung mit Wochenspruch / Hinweis auf Sonntag / Thema heute
  • Eingangslied 443,1+2+6 Aus meines Herzens Grunde
  • Psalm 121 und Ehr‘ sei dem Vater …
  • Gebet und Stilles Gebet
  • Schriftlesung – Predigttext Jesaja 5,1-7:

Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?

Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten
werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, wartete auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über
Schlechtigkeit.

  • Wochenlied 366,1-4 Wenn wir in höchsten Nöten sein
  • Predigt
  • Lied nach der Predigt 401,1-3+6 Liebe, die du mich zum Bilde
  • Fürbitten und Vaterunser
  • Schlusslied 347,1+2+6 Ach bleib mit deiner Gnade
  • Segen und dreifaches Amen
  • Musik