Andachten - - Erstellt von Diakon Rainer Groeschel

Macht hoch die Tür

Es ist kalt. Mir ist es kalt. Draußen, im Freien, jetzt im Winter. Ich bin schon lange draußen und stapfe durch den Schnee. Wann finde ich endlich einen Platz, wo ich mich aufwärmen kann? Ich bin schon so lange unterwegs.

Es ist kalt. Mir ist es kalt. Draußen, im Freien, jetzt im Winter. Ich bin schon lange draußen und stapfe durch den Schnee. Wann finde ich endlich einen Platz, wo ich mich aufwärmen kann? Ich bin schon so lange unterwegs.

Da! Am Ende des Weges sehe ich ein kleines Häuschen. Aus dem Kamin kommt Rauch. Da muss ich hin. Ich gehe schneller und komme an einen hohen Zaun. Zu hoch für mich um darüber zu steigen. Ich gehe auf dem Weg am Zaun entlang und stehe plötzlich vor einem großen Eisentor. Es ist geschlossen, ob ich es öffnen kann? Ich hebe das Tor ein bisschen an … und tatsächlich es öffnet sich quietschend. Ich gehe durch den verschneiten Garten zum Haus. Meine Spuren sind deutlich im Schnee zu sehen. Nun stehe ich vor der alten Haustür. Sie ist aus dunklem Holz.

Soll ich klingeln – gibt es überhaupt eine Klingel? Ich sehe keine, aber da ist ein Türklopfer unter dem kleinen runden Fenster in der Mitte. Ich will durch das Fenster hineinschauen. Aber das Glas ist milchig. Ich kann nichts erkennen. Doch drinnen ist es hell. Ist jemand da? Wer wohnt in diesem Haus? Bin ich überhaupt willkommen?

So stehe ich vor der Tür. Durchgefroren, aber auch ein bisschen ängstlich und neugierig. Ich nehme den Türklopfer in die Hand und klopfe vorsichtig - einmal, zweimal. … Und warte. Es ist nichts zu hören.

Wer wird mir öffnen? Lässt man mich herein? Bin ich erwünscht? Nichts regt sich im Inneren des Hauses. Hat man mein Klopfen nicht gehört? Ich warte. … Lausche. … Nichts regt sich … Vielleicht ist auch niemand da.

Soll ich nochmals klopfen? Lauter klopfen? Oder soll ich weiterziehen? Ein anderes Haus suchen? Aber mir ist kalt … und ich bin müde. Und Hunger habe ich auch.

Ich traue mich. Ich will nochmals klopfen. Lauter als vorher. Einmal, zweimal, dreimal. Ich warte wieder … Lausche. Presse mein Ohr an die Türe. … Mein Herz schlägt schneller als ich Schritte höre. Meine Spannung steigt, wer wird an der Tür erscheinen? "Darf ich hinein und mich ein bisschen bei Ihnen aufwärmen", will ich fragen.

Aber was ist, wenn mir die Türe nicht geöffnet wird? Wenn ich nicht hereingebeten werde? Wenn ich unerwünscht bin? Wenn ich draußen bleiben muss? …

Ich warte und höre wie die Schritte näher kommen. Es wird fast unerträglich für mich. Endlich dreht sich der Schlüssel im Schloss der schweren Tür.

Jemand öffnet die Tür, ich kann nicht erkennen wer es ist. Ich werde willkommen geheißen, ich darf eintreten. Man gibt mir die Hand, ich werde umarmt, ich gehöre dazu. Man nimmt mir den Mantel, die Mütze und meine Handschuhe ab. Ich soll meine Stiefel ausziehen und bekomme warme Filzpantoffeln angeboten. Ich werde in ein großes Zimmer geführt. Ich spüre die flackernde Wärme des Kamins im Raum und die Wärme von Menschen um mich herum.

Es ist eine fröhliche Stimmung. Da ist Lachen und da sind Kinderstimmen. Leise Musik ist zu hören. … Es riecht nach Kerzen und Tannenduft. Ein festlich gedeckter Tisch steht da und wartet darauf, dass die Stühle um ihn herum besetzt werden.

Ich soll mich setzen. Ich bin erstaunt, wie ich hier aufgenommen bin. Als ob ich von Anfang an dazu gehöre. Als ob man nur noch auf mich gewartet hätte. Wer bin ich denn? Sooooo wichtig komme ich mir gar nicht vor. Aber ich fühle mich wohl. All das tut mir in meinem Innersten gut. Es wird mir richtig warm ums Herz. Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Ich versuche mich zu erinnern. …

Meine Gedanken gehen zurück. Viele Jahre. Damals war ich noch ein Kind, vielleicht fünf, sechs oder sieben Jahre alt. Es war auch im Dezember. Adventszeit – die „schöne Wartezeit“ hat sie Mama genannt. Und sie hat uns diese Zeit versüßt und schmackhaft gemacht. Es gab wirklich Süßes – sie hat vielerlei Gutsle für Weihnachten gebacken. Und am Abend nach dem Essen, bekam jedes von uns Kindern ein Gutsle, aber nur eines. Und es war immer wieder eine Überraschung, welche Sorte nun dran war. Und dann wurde gesungen: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit … Genau das habe ich ja heute erlebt. Mir ist die Tür geöffnet worden. Nach einer gewissen Wartezeit. Aber das Ergebnis kann sich ja nun sehen lassen. Das Warten hat sich gelohnt. Ich bin eingeladen worden. Ich bin dabei.

Das ist wie früher. Nach den vielen Adventstagen, nach der schönen Wartezeit, war es ja dann soweit. Weihnachten. Heiligabend war da. Früher waren mir die Geschenke wichtig. Heute merke ich die Stimmung war wichtig. Fröhliche Spannung, vielerlei Düfte, die Lieder, begleitet vom Klavier und den falschen Flötentönen von uns Kindern. Die tolle Geschichte von der Geburt des Jesuskindes in Bethlehem. Die beleuchtete Krippe mit Papas selbstgebasteltem Stall. Und die Tränen in Omas Augen. Es ist noch alles da in meiner Erinnerung. Es war schön.

Es ist noch immer schön. Es kommt wieder. Jetzt ist die fröhliche Wartezeit. Ich muss warten. Ich darf warten. Auf Weihnachten. Auf die Feier der Geburt Jesu. Jeden Tag geht die Tür zum großen Fest ein bisschen weiter auf. Jeden Tag gibt es ein neues Türchen am Adventskalender, das es zu öffnen gilt. Bald ist es soweit. Bis dahin singe ich fröhlich: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit …

Ich bin eingeladen. Ich muss nur noch ein bisschen warten. Eine fröhliche Wartezeit wünsche ich mir von ganzem Herzen. Uns allen.


Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an ... wer mir öffnet, zu dem werde ich einkehren.

(Offb. 3,20)